Lange bevor wir unsere Reise nach Südafrika gestartet haben, geisterte das Wort „Rassismus“ in unseren Gesprächen und Gedanken herum. Von „Rassismus wie zu Zeiten der Apartheid“ über „kommt darauf an, wo man sich aufhält“ bis hin zu „alles ganz entspannt“ – verschiedenste Meinungen hatten wir gehört, bevor wir aufbrachen. So waren wir sehr gespannt darauf, wie wir das Miteinander der 80% Schwarzen, 10% Coloured (Einwanderer mit indischen oder asiatischen Wurzeln) und 10% Weißen in Südafrika erleben.
Schon in den ersten Tagen fällt auf, dass man entweder nur Weiße oder nur Schwarze zusammen sieht. An der Tankstelle, im Supermarkt, im Café oder Restaurant arbeiten nur Weiße oder nur Schwarze. Auch die Gäste haben nur eine Hautfarbe. Wenn überhaupt, dann mischt es sich an der Tankstelle. Wer hier an der Zapfsäule und hinter der Kasse steht, braucht sicherlich nicht zu erwähnt werden… Das erste Büro in dem wir schwarze und weiße Mitarbeiter sehen, ist die Autovermietung in Kapstadt. Wir haben den weißen Mitarbeiter zwischen seinen schwarzen Kollegen schon fast abgefeiert 😉 Endlich ein Miteinander und keine Parallelwelten.
Die Schwarzen wohnen entlang der Bundesstraßen in Townships unterschiedlicher Ausstattung und Qualität. Wir sehen Behausungen aus Holzlatten und Plastikplanen, Hütten aus Wellblech und später sogar gemauerte Häuschen. Fast alle Bewohner haben Strom über kleine Solarzellen oder Stromleitungen. Die Gelände sind mit Mauern und/oder Stacheldrahtzaun umgeben. An Rand stehen nummerierte Dixie-Klos. Jede Familie hat immerhin ihr eigenes WC. Vor den Häusern spielen Kinder im Plastikmüll. Kühe, Hunde und Ziegen laufen umher. Wie gerne würde man etwas dafür tun, diesen Menschen ein besseres Leben zu bescheren.
Stattdessen investiert man in Infrastruktur. So kommt es uns jedenfalls vor. Die Bundesstraßen und Autobahnen haben kein einziges Schlagloch. Standstreifen und Markierung sind teilweise besser als in Deutschland.
Die Wohnhäuser der Weißen stehen auf Grundstücken, die in manchen Orten geschützt sind wie eine Festung. Wir sehen in Port Elizabeth sogar Terrassen, die komplett vergittert sind. Hier wohnt man eher wie im Gefängnis statt in einer besseren Gesellschaft. Glücklicher Weise gibt es aber auch kleine Strandorte, in denen man ganz ohne vergitterte Fenster und Zaun auskommt. Hier wird klar, warum man nach Südafrika auswandert; um hier ein nettes Leben und einen schönen Lebensabend zu haben. In den meisten Fällen aber, sind wir eher überrascht, wie man in dieser ungleichen Gesellschaft guten Gewissens leben kann. Das scheint nur zu funktionieren, wenn man das Leben derer am unteren Ende der Gesellschaft ausblendet. Oder in der Marina Martinique in der Nähe von Jeffrey’s Bay lebt. Diese Wohnanlage hat ihren eigenen Pförtner und ist US-like von einem Zaun umgeben. Künstlich angelegte Kanäle durchziehen das Gelände. Man lebt mit Terrasse und eigenem Bootssteg in seiner eigenen Welt. Sicherlich gibt es Frisör, Apotheke und Supermarkt auch auf dem Gelände, sodass man gar nicht raus muss in die reale Welt 😉 oder der (schwarze) Butler kümmert sich um alles. Entgültig schockiert sind wir, als wir gerade mal 200m Luftlinie weiter eines der bislang ärmsten Townships sehen. Sicherheitshalber ist zwischen dem Township-Zaun und der Mauer der Marina noch ein brachliegendes Gelände umzäunt – sozusagen als Puffer, damit die Schwarzen auf Entfernung bleiben. Wut steigt in uns auf als wir hier entlang fahren. Wie kann man eine solche Klassengesellschaft tolerieren, ja sogar akzeptieren? Unfassbar.
Als wir aus dem Auto steigen, um ein bisschen spazieren zu gehen, haben wir ein flaues Gefühl im Magen. Nicht, dass die Leute denken, wir würden auch in der Marina Martinique wohnen. Zeitweise wünschen wir uns, nicht weiß, sondern wenigstens coloured, oder gerne auch schwarz zu sein. Wir möchten nicht zu dieser weißen Welt gehören, die in uns bis jetzt nicht gezeigt hat, dass sie irgendein Interesse daran hat, das Miteinander zu verbessern. Stattdessen lebt man lieber in seiner Parallelwelt und verschließt die Augen.
Sicherlich, es wird viel gestohlen und eingebrochen – während unserer Reise sehen wir einige eingeschlagene Autofensterscheiben. Der Gedanke liegt nahe, dass Schwarze dahinter stecken. Aber nicht pauschal alle Schwarzen warten nur darauf, uns zu beklauen. Die Mehrheit ist sehr gastfreundlich, hilfsbereit und nett. Egal, ob der Parkplatzwächter, der sich darüber freut, wenn man ihm bei Abreise 20 Cent in die Hand drückt. Oder die Hostelbesitzerin in Plettenberg Bay, die uns sogar eine (vorher bezahlte) Nacht gutschreibt, als wir wegen Dauerregen früher abreisen. Oder die Fastfood-Angestellten, die uns den Schlüssel zum WC geben, obwohl wir nichts gekauft haben. Nicht einmal machen wir eine schlechte Erfahrung. Das sind dann eher die Weißen, die in ihrem blaulackierten Maserati an der Autobahn auf dicke Hose machen oder der Typ, der uns in einer 30-Zone anhupt, weil wir einen Schwarzen auf dem Fahrrad passieren lassen.
Natürlich lässt sich nach zwei Wochen Südafrika überhaupt kein vollständiges, richtiges Bild der Gesellschaft des Landes bilden. Unsere Erfahrungen sind nur begrenzt auf die Städte zwischen Port Elizabeth und Kapstadt und total subjektiv. Dennoch denken wir mit gemischten Gefühlen an Südafrika zurück. Mit viel Unverständnis darüber, wie wenig getan wird, um die Gesellschaft zusammenzuführen (ohne, dass wir im Detail wissen, ob es nicht vielleicht tatsächlich Bemühungen gibt). Und mit einem strahlenden Lachen über ein Land, welches vor allem landschaftlich so vielfältig und einzigartig ist, dass wir nicht das letzte Mal dort waren.
Sehr passende Beobachtungen, ist aber eher typisch für SA (und dessen Geschichte) und nicht für die anderen Länder in der Gegend. Habe heute euren Podcast mit Sebastian C gehört, eure gewollte Planlosigkeit für die lange Weltreise hat mir sehr gut gefallen. That`s the Spirit!
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