Die Strecke von Cienfuegos nach Vinales wird von keinem öffentlichen Bus angeboten. Unsere Gastgeberin bestellt uns ein Colectivo – ein kubanisches Sammeltaxi – welches uns nach Vinales bringen soll. Der PKW, der uns morgens um acht Uhr vor der Tür erwartet, hat schon bessere Zeiten erlebt. Immerhin hat das Auto noch Seiten- und Rückspiegel. Diese fehlen in vielen anderen Autos, die auf Kubas Straßen unterwegs sind. Die Windschutzscheibe hat einen extrem großen Riss. Zu viert geht es über die holprigen Straßen in Richtung Havanna. Während karge Weiden an uns vorbei ziehen, freuen wir uns auf (hoffentlich) ruhige Tage in der Natur rund um Vinales. Nach gut drei Wochen in kubanischen Städten fühlen wir uns ausgelaugt. Es ist Zeit für Ruhe, Natur und frische Luft. Die alten, lauten, stinkenden Autos Kubas gehen uns langsam auf die Nerven.
Nach etwa drei Stunden Fahrt stoppt unser Colectivo auf der Landstraße etwa fünf Kilometer westlich von Havannas Zentrum. Aussteigen, bitte. Aha. Uns wird hier bald ein anderes Colectivo einsammeln und nach Vinales bringen, sagt unserer Fahrer. Ok. Wir hoffen, dass er Recht hat und bezahlen die Fahrt. Da stehen wir nun also am staubigen Straßenrand und warten. Die heiße Karibik-Sonne lässt uns brutzeln. Für einen CUC pro Person nutzen wir die Toilette am benachbarten Straßenimbiss. Teuer, aber jeder, der hier die Touristen-Währung bekommt, dem hilft man ein kleines bisschen. Immer mehr Colectivos halten und weitere Touristen gesellen sich zu uns.
Nach 40 Minuten Warterei kommt tatsächlich ein umgebauter LKW, der uns und 13 Andere nach Vinales bringt. Beeindruckend, wie das kubanische Organisationstalent mal wieder funktioniert hat. Dutzende Reisende werden täglich ohne Hilfe von Computersystemen oder Internet per Colectivo von A nach B transportiert. Das klappt. Nie ist ein Sitzplatz zu viel oder zu wenig. Auch heute nicht. Gemächlich rattern wir weitere 2,5 Stunden bis wir schließlich den Ortseingang von Vinales erreichen.
Nun gilt es, die 15 Touristen zu ihren Unterkünften zu bringen. Unser Fahrer steigt aus und klingelt an der ersten Haustür. Ein im wahrsten Sinne des Wortes Ortskundiger tritt auf die Straße. Er kennt hier jede Unterkunft und jeden Nachbarn. Jeder im Colectivo nennt sein B&B und der Nachbar nennt dem Fahrer die Lage der jeweiligen Unterkunft. Toll. Nachbarschaftshilfe groß geschrieben. Nach etwa 40-minütiger Kurverei durch das kleine Vinales ist das Auto leer und auch wir an unserem Ziel. Ein – mal wieder blitzsauberes – Airbnb-Zimmer erwartet uns mit eigener Terrasse in ruhiger (!) Lage am Ortsausgang. Nach gerade einmal fünf Minuten ist uns eigentlich schon klar, dass wir die letzten fünf Nächte, die uns bis zum Rausflug bleiben, hier verbringen möchten. Doch nun gilt es erstmal, sich eine Orientierung zu verschaffen.
Schon bevor wir nach Kuba eingereist sind, stand fest, dass wir Vinales in jedem Fall einen Besuch abstatten möchten. Es soll einfach so schön dort sein, dass man diesen Stopp nicht auslassen darf. Hmmh. Wir sind keine großen Fans von „das Schönste“, „das Beste“, hat doch (fast) jeder Fleck auf dieser Erde seine Daseinsberechtigung. Es verzehrt den Blick für die kleinen Dinge und die alltäglichen, wenn man immer nur in Superlativen denkt.
Natürlich sind wir nicht die Einzigen, die so viel Gutes über Vinales gehört und gelesen haben. In der Hauptstraße, der Salvador Cisneros, die einfach durch dein kompakten, kleinen Ort verläuft, sind die Bürgersteige voll. Tagesbesucher und Touristen, die wie wir ein paar Tage bleiben, quetschen sich auf den schmalen Wegen. Ja, Vinales ist in aller Munde. Zu beiden Seiten der Straße reihen sich Restaurants und Cafés aneinander. Jeder Laden ist hübsch dekoriert und sehr einladend.
Wer keine Gastronomie hat, vermietet ein oder zwei Gästezimmer. Fast jedes Haus hat ein „Hostal“-Schild an der Veranda hängen. Die bunten Häuschen, bei denen ein Schaukelstuhl auf der Veranda natürlich ein Muss ist, haben Bananenpflanzen und Palmen im Garten. Sobald wir die Hauptstraße verlassen haben, tritt Ruhe ein. Der farbenfrohe Ort wird umringt von weitläufigen, grünen Tabakplantagen. Am Horizont sieht man die grauen Karstfelsen, die sogenannten Mogoten, die aussehen wie schlafende Elefanten oder überdimensionale Heuhaufen. Das ist sie also, die Natur, die so viele Besucher in ihren Bann zieht – zu Recht. Wir freuen uns auf die kommenden Tage, die definitiv mit Wandern durch die Tabakfelder verbringen werden.
Im Touristenbüro gegenüber der Kirche erhält man Umgebungskarten mit Wanderwegen. Die Touren reichen von zwei Stunden bis hinzu Tagestouren. Auf Wegen aus roter Erde geht es vorbei an Tabakfeldern, die jetzt – im Februar – gerade geerntet werden. Was für ein Glück. Wir können bei der Ernte zusehen und die großen Tabakblätter in den Trockenhäusern in verschiedenen Trocknung-Stadien begutachten. Die Häuser sehen fast aus wie Wohnhäuser. Die Dächer sind aus Palmenblättern. Im Inneren steht eine Holzkonstruktion auf der die Blätter von grün bis braun trocknen.
Unser Weg führt weiter vorbei an Rindern, Ochsen und Pferden, die grasen oder einen Pflug ziehen. Vereinzelt stehen einfache Behausungen mit bunten Wänden, Palmdach und Schaukelstuhl auf der Veranden inmitten der Wiesen und Weiden. Was für uns sehr idyllisch aussieht, ist in Wahrheit ein hartes Landwirt-Leben. Doch nach getaner Arbeit klingt der Tag im Schaukelstuhl beim Blick auf die Felder aus.
Wir genießen die Ruhe, die Natur und die frische Luft in vollen Zügen. Endlich, endlich raus aus der Stadt. Endlich unterwegs sein, ohne hektischen Autofahrern ausweichen zu müssen. Außer uns ist hier interessanterweise fast niemand unterwegs. Wo sind die vielen Besucher von gestern Abend? Jedenfalls nicht hier. Ein paar kommen uns bei einem Reitausflug entgegen. Andere lassen sich per Oldtimer-Taxi zu den größeren Tabakherstellern fahren. Kein Problem. Wir sind sehr gerne alleine hier.
Vögel kreisen über unseren Köpfen auf der Suche nach Regenwürmern oder Mäusen. Ein Landwirt spricht uns an, ob wir uns in seiner kleinen Tabakfarm die Zigarren-Herstellung ansehen möchten. Machen wir gerne. Schließlich werden die Zigarren, die aus Vinales’ Tabak gerollt werden, weltweit verkauft. Die bekannteste Marke ist Cohiba. In einer lange eingeübten Technik wird ein großes, getrocknetes Tabakblatt vor unseren Augen langsam zu einer Zigarre zusammengerollt. Ein Großteil der Herstellung ist noch heutzutage Handarbeit. Ein Großteil der Zigarren wird aber auch an den Staat „verkauft“. Den Landwirten bleibt nur wenig Spielraum, Geld zu verdienen.
Schon unser Geschmackstest in Camaguey hat gezeigt, dass Zigarren so gar nicht unseren Geschmack treffen. So verneinen wir höflich, als der Kubaner uns die gerade hergestellte Zigarre anstecken möchte. Nein, mitnehmen möchten wir sie auch nicht. Unsere Rucksäcke sind sowieso schon voll und ein paar Monate wollen wir auch noch on tour sein. Dankbar nimmt er unser Trinkgeld hingegen und wir gehen unseres Weges durch rote Erde und grüne Tabakfelder.
Für eine kurze Wanderung am Nachmittag wählen wir die Tour ins Valle de Silencio. Nordöstlich des Ortes biegen wir ab auf Sandwege auf denen Pferdekarren und Ochsen die Ernte transportieren. Die Ernte ist in vollem Gange. Einmal im Jahr wird der Tabak hier geerntet. Das Geld für landwirtschaftliche Maschinen fehlt. Die Handarbeit ist hart bei Temperaturen jenseits von 25 Grad Celsius.
Das Valle de Silencio gibt seinem Namen alle Ehre. Außer den Landwirten ist auch hier sehr wenig los. An einer Lagune setzen wir uns ins Gras und warten auf den Sonnenuntergang. Der Himmel färbt sich langsam orange. Umgeben von Feldern, Wäldern und ganz viel Ruhe lassen wir den Abend ausklingen. Die Entspanntheit Vinales hat uns inzwischen voll im Griff. Nur die Mücken treiben uns fort. Sonst würden wir vielleicht immer noch am Wasser sitzen und der Stille zuhören.
Wem das Grün und die Tabakpflanzen zu langweilig werden, der bucht einen Tagesausflug an die Küste. Die Cayo Jutias ist knapp zwei Fahrstunden entfernt. Für 15 CUC pro Person buchen auch wir diese Tour. Einmal noch in karibischen (offiziell: Golf von Mexiko) Gewässern baden, bevor es uns weiter nach Südamerika zieht. Über Holperpisten, die dem Wort „Straße“ nicht gerecht werden, huckeln wir mit fünf anderen in Richtung Strand. Klar, dass die Organisation auch dieses Mal perfekt klappt. Kein Sitzplatz bleibt frei. Die Halbinsel westlich von Vinales ist nur ein schmaler Streifen aus Puderzuckersand und windschiefen Palmen. Überraschend viele Besucher strömen gemeinsam mit uns auf die wenigen Quadratmeter Sand. Wir finden ein Plätzchen am Ende des Strandes. Der Wind peitscht. An Baden ist vorerst nicht zu denken. Die Wellen sind hoch – und kalt.
Die Ersten wagen sich nach einer Aufwärmphase langsam ins kühle Nass. Strahlend türkisfarbend liegt der Golf vor uns. Der Meeresgrund ist unglaublich hell und lässt das Wasser wunderschön erstrahlen. Auch wir stürzen uns in die Fluten. Herrlich. Kalt, aber erfrischend. Den Staub der Tabakfelder waschen für uns von der Haut, bevor die Rückfahrt nach Vinales ansteht. Um den kleinen Hunger kümmern sich übrigens drei Restaurants am Strand, die Gerichte und Getränke verkaufen. Sogar Espresso kann man erstehen. Für Duschen und Umkleidekabinen ist auch gesorgt. Ein lohnender Strandausflug geht mit einem netten Abendessen in Vinales mit Tori und Ethan aus Toronto zu Ende. Die beiden planen gerade eine sechsmonatige Motorradtour von Kanada nach Panama. Da gibt es ausreichend Gesprächsstoff.
Oft wird das Hotel Jazmines im Zusammenhang mit Vinales erwähnt. Die Aussicht von der Hotelterrasse soll wunderschön sein. Wobei wir wieder bei Superlativen wären… Dennoch wandern wir am letzten Tag zum Hotel Jazmines. Das Hotel liegt auf einem Hügel, den es für uns erstmal zu erklimmen gilt. Oben angekommen blicken wir auf Karstlandschaft und Tabakplantagen. Dazwischen blitzen die bunten Holzhäuser der Kubaner auf. Ob sich die Tour hierher lohnt? Hmmh… Die Aussicht über das grüne Tal mit seinen Feldern und Palmen ist sehr schön. Aber nur, wenn nicht gerade im selben Augenblick ein Reisebus hält, 50 aufgeregte Touristen ausspuckt und sich das extra bereitstehende Dreier-Orchester in kubanischer Musik versucht. Ein paar Minuten später kehrt auf der Terrasse wieder Ruhe ein und der Ausblick lässt sich genießen. Im Hotel gibt es übrigens ein freies WLAN und leckeren Espresso.
Ja, wir können es bestätigen. Vinales darf auf keiner Kuba-Reise fehlen. Auch Superlativ-Gegner sind hier willkommen. Die Ruhe. Die fast unberührte Natur. Die farbenfrohen Kontraste von grünen Feldern, roter Erde und grauen Bergen zeigen ein Stück Kuba, welches von Havanna aus leicht erreichbar ist. Wer Zeit hat, kann in Vinales ohne Probleme vier bis fünf Nächte verbringen, ohne sich zu langweilen.
Unser Aufenthalt: 5 Nächte im März 2019
Auch in Vinales findet man die Unterkünfte am besten via Airbnb*. Die sauberen Doppelzimmer mit eigenem Bad und leckerem Frühstück sind im ganzen Ort verteilt. Am besten wohnt man abseits der Hauptstraße, um dem dort sehr lauten Verkehr zu entkommen. Die Traktoren, die unterwegs zu ihren Feldern oder auf dem Rückweg sind, müssen täglich durch diese Straße fahren. Wir haben bei Ayerin y Mireya sehr ruhig in einer Sackgasse gewohnt. Die ganze Familie hat sich sehr viel Mühe gegeben, uns eine schöne Zeit zu machen. Und die hatten wir definitiv.
Von Cienfuegos nach Vinales:
Die Strecke von Cienfuegos nach VInales kann man nur per Colectivo fahren. Pro Person haben wir 35 CUC (Februar 2019) gezahlt. Nach drei Stunden Fahrt sind wir kurz vor Havanna an der Schnellstraße umgestiegen und haben in einem zweiten Fahrzeug die restliche Strecke nach Vinales zurückgelegt. Den Transfer bucht man am besten mit Hilfe der Gastgeber.
Von Vinales nach Havanna bzw. Havanna-Flughafen:
Nach Havanna fahren zwei Mal täglich Colectivos. Im Touristenbüro im Ortskern sollte man den Transfer zwei bis drei Tage vor Abreise buchen. Pro Person zahlt man 25 CUC (Februar 2019). Die Fahrt zum Flughafen dauert etwa 2 Stunden 45 Minuten. Kurz vor Havanna sind wir in ein zweites Colectivo umgestiegen, welches uns zum Flughafen gebracht hat. Das erste Auto ist weiter in die Hauptstadt gefahren. Müßig zu erwähnen, dass auch dieser Transfer ohne Probleme geklappt hat. Ohne Computersystem, ohne Internet. Organisieren, das können sie die Kubaner.
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