Mit Vorurteilen nach Russland

Moskaus Hauptplatz

Vor uns liegen 58 Tage Russland. 58 Tage! In keinem anderen Land dieser Welt (abgesehen von Deutschland) waren wir jemals so lange an einem Stück unterwegs. In uns mischen sich Vorfreude und Aufregung, als wir Estland per Bus in Richtung Russland verlassen.

Die ersten Schritte in Russland

Der Bus bringt uns in gut sechs Stunden recht unkompliziert in das flächenmäßig größte Land dieser Welt. Die ersten Schritte auf russischen Boden wagen wir an der Tankstelle direkt nach der Grenzkontrolle. Mit FIFA-WM-Fan-ID ist die Einreise ziemlich unspektakulär. Nun sind wir also da. In Russland! Ein Land, zu dem wir mehr Vorurteile als Erwartungen haben.

Rücksichtslose Russen?

Werden wir auf die rücksichtslosen Russen treffen, die wir aus Litauen, Lettland und aus Erzählungen kennen? Die, die oberkörperfrei, laut und betrunken unterwegs sind? Die, die mit Geld und Reichtum protzen und schlecht gekleidet sind?
Viele Bilder schwirren uns durch den Kopf als wir langsam auf St. Petersburg zu fahren. Ohjee, was haben wir uns nur dabei gedacht?! Acht Wochen Russland? Hoffentlich wird es nicht allzu schlimm hier! Der Raus-Flug von Vladivostok nach Peking ist gebucht. Also liegen zwischen uns und dem Ende der Russland-Tour noch 10.220 Bahn-Kilometer. Harte Kost?

Ruhige Metros & saubere Straßen

Nein, Russland ist keine harte Kost! Russland ist genial. Jedenfalls soweit, wie wir es bis jetzt (nach 22 Tagen) beurteilen können. In den Metros der Millionenstädte Moskau, Kazan und St. Petersburg ist es zur rush hour voll und eng. Aber auch leise und sauber. Niemand hört laut Musik oder hat Müll fallen lassen. Mainzelmännchen – so denken wir – müssen hier nachts überall unterwegs sein und putzen. Nicht einmal im Gleisbett sieht man Müll. Auf den Bürgersteigen sehen wir keine einzige Zigarettenkippe. Kaum vorstellbar. In Moskau leben immerhin mehr als 11 Millionen.

Regeln & Normen

Doch Ruhe und Sauberkeit haben auch ihren Preis. Hier regieren „Zucht & Ordnung“. Hier wird nicht aus der Reihe getanzt. Was gesagt wird, wird gemacht. Wir sind die einzigen, die in unserem Wohnviertel in Moskau 30 Meter Fußweg abkürzen, in dem wir über eine Rasenfläche gehen. Macht man einfach nicht. Und dann macht es eben auch niemand.
Niemand geht bei rot über die Straße. Niemand wirft Müll auf die Straße. Niemand geht durch den Ausgang in die Metrostation, da links eben die Eingangstür ist. Niemand stellt die Ansagen oder Aussagen der „Staats“angestellten infrage. Wenn dir an der Metro gesagt wird, dass du nur am Spieltag mit Fan-ID Metro fahren darfst, wird am Nicht-Spieltag keine Ausnahme gemacht. Auch nicht, wenn du nett lächelst. Niemand läßt beim Public Viewing auf dem Marktplatz seinen Bier-Plastikbecher auf dem Tisch stehen, wenn er geht. Niemand tanzt aus der Reihe. Und wenn doch… Dann kann es teuer und schmerzhaft werden.

Hilfsbereitschaft & Gastfreundschaft

Sicherlich, dieses strenge Miteinander scheint etwas verkrampft. Doch im Herzen sind die (meisten) Russen tolle Gastgeber. Hat man den ersten fiesen Blick auf die Frage „do you speak English?“ erst einmal verdaut, öffnet sich das russische Gegenüber. Mit Händen und Füßen, Zeichensprache und google translate (danke, google!!! für diese Erfindung) hilft man uns. Egal, ob beim Abwiegen der Äpfel im Supermarkt oder im Copy Shop um die Ecke. Im Nachtzug macht man uns darauf aufmerksam, dass die Toiletten 15 Minuten vor jedem Stopp geschlossen sind und dass „die Sterne bei dieser WM leider nicht gut für Deutschland standen“.

Die Welt zu Gast in Russland – oder FIFA WM 2018

Na klar. Russland möchte sich von seiner besten Seite zeigen. Immerhin ist die Weltmeisterschaft DAS Sportereignis überhaupt. Weltweit werden Spiele, Stimmung und Fanfeste übertragen. Doch die Gastfreundschaft wirkt nicht aufgesetzt. Das ist echt. Man begegnet den WM-Gästen hier mit viel Fußball-Euphorie und Freude. Jeder Volunteer trägt stolz den WM-Dress und beantwortet unsere Frage nach dem Weg zum Fanfest mit auswendig gelernten, englischen Sätzen.

Was bleibt?

„Weiter so!“ möchte man rufen. Ihr seid auf einem guten Weg, ein tolles Reiseland zu werden. Wenn ihr es nicht vielleicht sogar schon seid. Ja, politisch ist hier einiges auf dem falschen Weg. Auch die vielen Kontrollposten sind etwas übertrieben. So gibt es zum Beispiel an jeder (!) Rolltreppe in der Metrostation jemanden, der darauf aufpasst, dass an den Rolltreppen als richtig läuft. Einige Posten erinnern uns doch stark an alte Sowjetunion-Zeiten – ohne dass wir diese miterlebt hätten. Etwas Lockerheit dürfte allen Beteiligten gut tun.


Reisevorbereitung & unterwegs vor Ort
Zur Vorbereitung auf unsere Reise und als ständiger Reisebegleiter hat sich das englischsprachige Buch Lonely Planet Russia* bewährt. Der Reiseführer ist ideal für einen schnellen Überblick über die Land und Leute, Transport-Verbindungen von A nach B und für Sightseeing-Tipps.
Für unsere Reiseplanung mit der Transsibirischen Eisenbahn von St. Petersburg nach Vladivostok (10.220 Kilometer) nutzen wir den Lonely Planet Trans-Siberian Railway Guide (Country Regional Guides)*.


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8 Kommentare zu “Mit Vorurteilen nach Russland

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  3. Pingback: Moskau (Russland) oder WM 2018 | Reiseblog Expedition Lieblingsorte

  4. Sehr schöne Zusammenfassung Eurer bisherigen Zeit in Russland! Vorurteile über das Land gibt es viele, allerdings verschwinden sie meist nach dem ersten Besuch. Mir ging es damals bei meiner ersten Russlandreise genauso. Die Faszination für Land und Leute hat mich aber gleich gepackt und ich bin mittlerweile 2 – 3 Mal pro Jahr in diesem tollen Land unterwegs. Solche Vor-Ort-Einschätzungen helfen auf jeden Fall dabei, den Leuten die Angst vor einer Russlandreise zu nehmen!

    Genießt diese wunderbare Reise!

    • Ja, es ist wirklich schön, wenn sich Vorurteile in Luft auflösen. Wir genießen das Land total. Morgen geht es an den BaikalSee. Hast du noch irgendwelche Tipps zwischen Irkutsk und Vladivostok?

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